"Selbsterforschung versus Selbstverbesserung"

 

 

Bis vor kurzem (1980) litten viele von uns unter den verschiedenartigsten Konditionierungen von Religion, Schule und alle anderen Arten von Erziehungsmaßnahmen, nicht zuletzt versuchten wir uns damals von der sexuellen Schuldgefühlszwangsneurotisierung zu befreien. Nicht dass alle unsere Werte und Einstellungen schlecht gewesen wären. Wir hatten sie verinnerlicht, die guten wie auch solche, die Unglück über uns und die Menschheit brachten. Und dann begannen wir auszubrechen, die grüne und sexuelle Revolution begann, die Frauenbewegung wurde immer stärker und wir suchten nach neuen Formen des Lebens. Und wir, die dies hier lesen, landeten beim radikalsten von allen. Osho. Wenn man 10 Jahre in eine klassische Schule geht wird man geprägt, ob man es will oder nicht. Und zwar so stark, dass man zu meinen glaubt, das das was man ist, ist auch so.

 

Viele von uns kamen so um 1980 zu Osho und viele auch dank des kürzlich entschwundenen Satyananda, dank sei ihm nochmal, auch ich gehörte dazu, als einer der spürte, dass hier etwas völlig neues passiert und losreiste. Ich verbrachte bis 1990 meine Tage in verschiedenen Ashrams, Pune  und Rajneehspuram. Also auch 10 Schuljahre, denn er war ja mein Lehrer und ich sein Schüler.

 

Jetzt frage ich mich: wurde auch ich konditioniert in dieser Zeit, habe ich mich geändert, sind mir Dinge in Fleisch und Blut übergegangen, so dass ich es gar nicht mehr merke, wo ich ein anderer geworden bin. Es ist ja immer schwer, über andere zu schreiben, denn jeder hat seine Stärken und Schwächen und Konditionierungen an anderer Stelle und Ausprägung. Deshalb schreibe ich über mich und manche werden sich auch darin erkennen und andere nicht.

 

Der Beobachter

 

So gibt es einen der mir zuschaut. Wäre er wertfrei, dann würde nicht mehr viel fehlen. Er tut es leider nicht, aber er schaut. Er schaut mir zu und spricht zu mir. Er tut es morgens und abends und immerzu, nur wenn es intensiv wird, emotional, dann verliert er seinen Halt und ICH agiere ohne mich anzusehen. Später dann schaut er wieder und gibt seinen Kommentar. Und ICH schau es mir an und sehe wer ich bin, wie ich danebengreife, wie ich verloren gehe. Ich finde das sehr wertvoll immer den von Osho erwähnten Beobachter erlauben zu lassen, mich zu beobachten. Mehr und mehr gelingt es mir und es ist mir zur Gewohnheit geworden.

 

JA.

 

Ich sag zu tausend Dingen ja, obwohl ich es gar nicht will. Ich bin schon in eine Therapie deswegen gegangen, weil ich einfach so schlecht Nein sagen kann. Ich hab einen Burn out gekriegt weil ich immer JA gesagt hab, meine Firma ist explodiert, weil ich nicht Nein zu neuen Kunden sagen konnte. Egal wo wir waren, es wurde verlangt, JA zu sagen. Sei nicht negativ, war unser tägliches Brot. You say no, just go. Als in Rajneeshpuram der erste Computer eingeführt wurde und ich meine geliebte Durschreibebuchhaltung nicht mehr machen konnte, sagte ich: NEIN, das funktioniert nicht.  Ich wurde aufs Ackerrübenfeld geschickt. Ich sagte in 10 Jahren zu so vielen Dingen JA wo jeder andere NEIN sagen würde und habe dadurch so viel gelernt. Und zum JA gehört ja auch Zuversicht. Mut. Vertrauen, dass es funktioniert. 2003 fragte man mich ob ich der Münchner Faschingsprinz werden wollte. Ich sagte Nein. Als ich heimfuhr dachte ich an Osho, was er mir geraten hätte. Er hätte mir zu 100 % dazu geraten. Ich rief an und sagte JA. Und es war der Horror. Aber ich habe gelernt vor 20.000 Menschen am Marienplatz zu sprechen und vorzutanzen.

 

Akzeptiere das Leben wie es ist.

 

Uuups. Ein harter Brocken. Ich kann nicht mal eine rote Ampel akzeptieren. Ich berste vor Ungeduld. Ich hadere, wenn etwas nicht so läuft, wie ich es will. Trotzdem: Es ist nur der erste Moment. Dann kommt er und sagt: das ist so. Akzeptiere es. Es mag mir im normalen Leben so gar nicht gelingen, doch immer wenn ich beobachte, lässt etwas in mir los und ich kann es gehen lassen, dass was mein ICH (Ego klingt so blöd) zuerst nicht mag. Doch dann wird es weich ganz tief drin. Aber es gibt auch die großen Dinge. Wie ein Halswirbelbruch (1990) ein Motorschaden in Süditalien, der Tod meiner Mutter und andere große vermeintliche Katastrophen. Unglaublich schnell konnte ich Ja sagen, bei solchen großen Ereignissen. Ja, es ging tief. Auch dies ist ja ein JA sagen.

 

Akzeptiere den Tod wie er ist

 

Seit ein paar Jahren denke ich jeden Tag an den Tod. Ich lächle ihm zu. Ich streichle ihn. Ich bekomme eine Verbindung zu ihm. Nicht dass ich ihn herbei sehnen würde. Doch muss ich mit ihm Bekanntschaft schließen damit er mich nicht unvorbereitet am Kragen packt. Nicht dass ich mich trösten würde mit Wiedergeburt oder Himmel (naja, dem Mohammedanischen vielleicht). Aber irgendwann werde ich gehen müssen und nichts von mir wird bleiben. Es ist schön, über den Tod zu meditieren. Ist es nicht dass, was Osho uns lehrte, das wir eh nichts sind, das wir im Leben bereits gehen sollen? Vielleicht gelingt es mir wenigstens im Tod.

 

Die Frauen

 

Osho war seiner Zeit weit voraus. Er hat die Frauen immer in die verantwortlichen Positionen gesetzt. Egal welche Voraussetzungen sie hatten. Wo bis heute kein DAX Vorstand weiblich ist, die Chefs in fast all unseren Ashrams waren Frauen. Es gab eine 10 %ige Männerquote - vielleicht. Wie viele Frauen sah ich in ihre Kraft gehen und wie viele Männer sah ich in ihre Weichheit und Weiblichkeit gehen. Ja, es war hart für mich zu akzeptieren. Aber da wurde nicht danach gefragt. Aber die Sannyasin-Frauen haben sich auf jeden Fall selber als Chefinnen akzeptiert. Und schön langsam kommt es an. Immerhin haben wir eine wunderbare Bundeskanzlerin.

 

Die Demut

 

Die Priester, die Politiker, die Lehrer, die Eltern, der polnische Papst. Ja, die Menschen sind selbstsüchtig, gierig, machtgeil, manipulativ, unehrlich und alles was man sich sonst noch ausmalen kann und Osho hat das immer wieder gesagt, auch das ist uns in Fleisch und Blut übergegangen und es kommt uns leicht von der Zunge. Hier habe ich die größten Schwierigkeiten. So ist mir ein demütiger Katholik, der ehrlich und tief nach sich selbst sucht lieber, als ein Sannyasin, der meint, dass er beim Weihwasser zweimal angestanden hat und von wenig Ahnung hat. Vieleicht bin ich ja doch ein alter Katholik – doch ein wenig Demut, Respekt und Achtung vor den anderen, die unsere angebliche Weisheit nicht mit dem Löffel gegessen haben, wäre mir schon sehr lieb, wenn sich da etwas ändern würde bei uns. Meine Mutter hat immer gesagt: Ich liebe euch Sannyasins aber ihr seid ein arroganter Haufen, ihr habt doch selber keine Ahnung.

 

Wissen dass ich nichts weiss

 

Dann kommt es mir manchmal so vor, dass ich selber ein ganz schlauer bin. Kennst du das, du sitzt am Bahnhof im Zug und plötzlich fährt er los und plötzlich merkst du, er war es nicht, es war der Zug nebenan? Würdest du nicht schauen, so würdest du es gar nicht merken. Es hat dich jemand tief verletzt und böse bist du. Und du schaust es dir von allen Seiten an und plötzlich merkst du, dass es ganz anders ist, das es deine Wahrheit war, aber vielleicht nicht seine oder die eines andern oder dass alles ganz anders ist.

 

Es ist wie „Der Weg der weißen Wolke“. Alles zieht vorbei und streichelt uns, berührt uns, fordert uns heraus und wir sind schnell bei der Hand uns ein Urteil und eine Wahl zu erlauben. Doch plötzlich, wenn du es erlaubst, kommt ein neuer Gedanke, eine neue Wolke, eine neue Frucht in dir hoch und du siehst auch das andere, die andere Wahrheit. Und plötzlich entweicht die Härte in dir und du wirst fein und gehst eine Verbindung ein mit dem, dessen Feind du gerade noch warst.

 

Das hat Osho mich gelehrt. Manches ist mir in Fleisch und Blut übergegangen, manches muss ich mir immer wieder ins Bewußtsein rufen und manches geht gar nicht. Ja, wir sind andere Menschen geworden.